"Gehacktes" als kreative Kost für Geist und Gemüt
Aachen. Darf's ein bisschen mehr sein? In der Metzgerei Salvini, Bismarckstraße 100, weist die obligate Erkundigung dieser Tage bisweilen einen ganz anderen Weg als den alles Fleischlichen. Nicht Fisch, nicht Fleisch, keine leiblichen, vielmehr durchaus kulturelle Genüsse verspricht das jüngste Werk von fünf Künstlern unterschiedlicher Sparten, das König Kunde zwischen Filets und Beef jetzt sozusagen als kreativen Klops erwerben kann - exklusiv, versteht sich.
Nahrung für Kopf und Gemüt: Der geneigte Interpret darf sich die Frage nach den Ursachen der ungewöhnlichen konzertierten Aktion zwischen Metzger und Musen nach Gusto auf der Zunge zergehen lassen. Fest steht: "3/4 Pfund Schweinegehacktes", so heißt die jüngste Videoproduktion, die der Aachener Kameramann und Fotograf Gerd Plitzner gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Tänzer Marcio Valeriano, dem Percussionisten Wanderson Valeriano de Azevedo sowie dem Organisten Lutz Felbick und dem Maler Ralf Walraff feilbietet - "hygienisch sauber verpackt und in Folie eingeschweißt".
Ein originäres Künstlervideo, so apostrophieren die Macher den 27 Minuten langen Streifen. Eine Collage unterschiedlichster kreativer Kopfgeburten, in deren Mittelpunkt das Schaffen Ralf Walraffs steht. Gezeigt werden Malereien und Fotografien des gelernten Grafik-Designers, die - um im Bild zu bleiben - die Folie darstellen für die experimentellen Klangflächen des Pianisten Lutz Felbick. Gewürzt ist das Ganze mit einer Prise textlicher Einsprengsel wie etwa Kommentaren aus Jazz-Konzerten. Diese Kunstwelt kontrastiert mit lakonisch kontemplativen Landschaftsaufnahmen vornehmlich aus dem Hohen Venn sowie Ausschnitten aus einer Performance des Tänzers Valeriano, der vielen Aachenern nicht zuletzt durch seine Aufführungen im Ludwig-Forum in Erinnerung geblieben sein dürfte.
All dies in völlig unhektischen Schnitten zusammengefügt zu einer essayistischen Hommage an anderthalb Jahrzehnte künstlerischen Schaffens von Ralf Walraff - solange der Vorrat reicht. Wenn der Geist also willig ist, sollte das Fleisch nicht allzu lange schwach bleiben.
Matthias Hinrichs / Aachener Zeitung 1997